Seit mehr als 20 Jahren sind mein Mann und ich mit dem Virus Africanus infiziert. Wir lieben es, einsame Gegenden im südlichen Afrika zu bereisen und genießen Wildlife, Weite und Wüsten! Bei mir hat sich aber zunehmend der Wunsch eingestellt, auch andere Afrika-Erfahrungen zu machen – eine andere Region zu besuchen, mehr Einblick in das Leben der Menschen zu bekommen und Freiwilligenarbeit in einem sinnvollen Projekt zu leisten. Manchmal fügen sich im Leben unerwartet alle Puzzlesteine zusammen und so werde ich Anfang November 2017 in Bukaya von einem herzlichen Team, angenehmen Temperaturen und wogenden Palmen empfangen.

Trotz der schönen ersten Eindrücke treiben mich tief im Innersten Fragen um, die mich auch schon vor meiner Reise beschäftigt haben: “Werde ich als Betriebswirtin ohne nennenswerte Erfahrung mit Kindern wirklich einen Beitrag im Birungi Kindergarten leisten können? Oder werde ich am Ende der drei Wochen denken, dass ich den Kindern hauptsächlich beim Spielen zugeschaut und mich dabei auf die Dauer ein wenig gelangweilt und überflüssig gefühlt habe? Und, werden die Kinder und die Kindergärtnerinnen mich überhaupt mögen“ Etwas befangen trete ich also „meinen Dienst“ im Kindergarten an.

Ich nehme mir Zeit, mich mit den Abläufen vertraut zu machen und meinen Platz darin zu suchen. Mit Mal- und Bastelbüchern, die ich mitgebracht habe, mache ich meine „ersten Gehversuche“ bei der Beschäftigung mit den Kindern. Ich lerne von Teacher Hope, dass ich Schritt für Schritt sehr genaue Anweisungen geben muss, damit es mit dem Fingerstempeln klappt. Schließlich sind die Kinder aber mit Feuereifer dabei und wählen immer neue Motive aus dem Buch aus. Auch wenn ich wohl nicht „die Heldin im Halten von Disziplin“ werde, freue ich mich über meinen guten Einstand als „Hilfskindergärtnerin“.

Die Zeit im Kindergarten hat auch noch einen ganz tollen Nebeneffekt: Ich reise zurück in meine eigene Kindheit! Nach und nach fallen mir verschiedene Dinge ein, die ich gerne gemacht habe. Abends probiere ich sie aus und bereite Materialien vor. Es ist erstaunlich und schön, wie Gelerntes, nach mehr als 45 Jahren wieder präsent wird, wenn man dem oft so eingefahrenen Gehirn den nötigen Freiraum gibt. Und Freiraum für die Umsetzung mit den Kindern bekomme ich auch immer von Teacher Irene, der warmherzigen Kindergartenleiterin.

Besonders viel Zeit widme ich einem Jungen aus zerrütteten und wahrscheinlich auch gewalttätigen Verhältnissen. Seit einiger Zeit lebt er in einem sogenannten Oma-Haus und hat durch den Odissa-Charles Verein eine Chance auf eine gute Schulbildung in einem sicheren Umfeld. Als der kleine Kerl erstmals zu mir sagt „You sit here“ und auf den Stuhl neben sich weist, geht mir das Herz auf. Und spätestens als er selbstständig beim Zählen einen kleinen Trick anwendet, den ich ihm zwei Tage vorher gezeigt habe, weiß ich, dass mein Einsatz hier keinesfalls überflüssig ist.

Die befürchtete Langeweile stellt sich also ganz und gar nicht ein. Neben meinen eigenen „Bastelprojekten“, gibt es ausreichend Möglichkeiten die tägliche Arbeit der Kindergärtnerinnen zu unterstützen, insbesondere da Teacher Hope bald durch die Geburt ihres Sohnes ausfällt und die Vorbereitungen für die „Christmals Carols“ auf Hochtouren laufen. Für die erste große Kindergartenfeier mit den Eltern werden das Krippenspiel, Tänze und Lieder geübt. Der Kontrast zwischen der Liedzeile „Dashing through the snow“ und der Umgebung mit roten Staubstraßen und üppig grüner Vegetation könnte nicht gößer sein und lässt zumindest uns Europäer immer schmunzeln.

Auch außerhalb des Kindergartens bekomme ich viel Gelegenheit, in das Leben einzutauchen. Besuche im Heimatdorf von Koch Stevie, in Oma-Häusern, in der Nachbarschaft, im Yamba Kinderheim, im St. Moses Internat und im Krankenhaus stehen auf dem Plan. Und immer begleiten mich Anne oder ihre Stellvertreterin Faustine und erklären mir die Gegebenheiten und Hintergründe. Touren in die Stadt, zu einer Hochzeit und in den Mabira Forest werden landestypisch mit dem Boda (Moped-Taxi) und dem Matatu (Minibus) absolviert. Abends schauen oft Freunde und Bekannte von Anne vorbei und geben uns auf der gemütlichen Veranda interessante Einblicke in ihre Gedanken und ihr Leben. Beim Shoppen in Jinga lerne ich nicht nur die sehr netten Touristen Shops, sondern typische Supermärkte und die riesige Markthalle kennen. Und sogar unsere Ausflüge in das Nachleben von Jinja sind ein Eintauchen in das ugandische Leben, denn hier tanzen fast ausschließlich Einheimische zu mitreißendem Uganda Pop! Was für ein Spaß!!!

Auch ohne eine Safari vergehen meine gut drei Wochen in Uganda wie im Flug und ich bin zutiefst zufrieden. Ich habe hier unglaublich liebe Menschen kennengelernt und wurde überall mit offenen Armen empfangen. Ich konnte viele und intensive Eindrücke aus dem Leben in einem afrikanischen Entwicklungsland mitnehmen – und zwar ohne mich je wie ein Gaffer oder Eindringling zu fühlen! Ich habe das sehr befriedigende Gefühl, wirklich einen Beitrag geleistet zu haben. Und nicht nur das; bei der Teamfeier nach den gelungenen Christmas Carols im Kindergarten merke ich, dass ich wirklich ein Teil des herzlichen Teams geworden bin. Ich bin gerührt und sehr, sehr glücklich!

Andrea